Der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, kann die widerlegbare Vermutung begründen, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte.
BAG, Urteil vom 02.06.2022 - 8 AZR 191/21
Zu diesen Vorschriften gehört laut BAG § 168 SGB IX, wonach die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf.
Die Parteien stritten, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung zu zahlen. Der Kläger war als Hausmeister beschäftigt. Er wurde mit Hausmeisterleistungen an einer Schule beschäftigt. Seit dem 11.02.2018 war der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 14.02.2018 kündigte der Arbeitgeber das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis unter Hinweis darauf, dass der Vertrag zwischen ihm und der Stadt als Schulbetreiber ende. Der Arbeitnehmer wandte sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Das Verfahren wurde durch einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht erledigt.
Der Arbeitnehmer hat dabei wegen Diskriminierung wegen offenkundiger Schwerbehinderung nach Krankhierseintritt geltend gemacht
Die Revision des Arbeitnehmers hatte vor dem BAG jedoch keinen Erfolg. Der Arbeitenhemer/Kläger habe – wie das LAG zutreffend angenommen hat – keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Kläger, der durch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG erfahren hat, habe nämlich nicht konkret dargelegt, dass die Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung erfolgt sei. Zwar könne der Verstoß des Arbeitgebers gegen § 168 SGB IX im Einzelfall die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung im Sinne des § 22 AGG begründen, dass die Schwerbehinderung (mit)ursächlich für die Benachteiligung war. Allerdings habe der Kläger einen Verstoß des Arbeitsgebers gegen diese Bestimmung nicht schlüssig dargetan. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Kläger am 11.01.einen Schlaganfall erlitten und noch am 12.02. mit halbseitiger Lähmung auf der Intensivstation behandelt wurde, lägen keine Umstände vor, nach denen im Zeitpunkt der Kündigung durch den Arbeitgeber am 14.02. von einer offenkundigen Schwerbehinderung auszugehen war. Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger auch keine anderen Indizien im Sinne des § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung dargetan hat, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Quelle: beck-online
FAZIT: Ein grundsätzlich denkbarer Anspruch kann auch am Vortrag vor Gericht scheitern, wenn dieser nicht konkret genug ist oder nicht entsprechend konkret untersetzt werden kann.