Zum Jahreswechsel wünschen wir allen Kolleginnen und Kollegen, allen Clientinnen und Clienten, allen Behördenmitarbeiterinnen und Mitarbeitern, allen Richterinnen und Richtern, allen Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern und allen anderen Personen, die zuvor nicht genannt wurden ALLES GUTE. Wir freuen uns auf eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit.

Ein Jahreswechsel bietet aber auch die Gelegenheit für ein paar kritische Gedanken.

 

Auf Grund der in 2023 zahlreich geführten Gespräche zur Situation der Betreuung in Deutschland gehen wir davon aus, dass eigentlich allen die prekäre Situation in der Berufsbetreuung in Deutschland bewusst sein sollte.

Die Arbeitsbelastung bei der Führung von Betreuungen hat in den letzten Jahren und insbesondere aber 2023 deutlich zugenommen.

Neben zusätzlichen - vom Gesetzgeber teilweise völlig unnötig eingeführten – bürokratischen Aufwendungen und Berichtspflichten, ist leider auch festzustellen, dass sich die Bearbeitungspraxis bei den Sozialleistungsträgern erheblich geändert hat.

Die Absicherung von rechtlicher Betreuung Betroffener (mit die sozial schwächste Gruppe im deutschen System) hat absolute Priorität, sodass sich der größte Teil des Arbeitsaufwandes der Berufsbetreuer/innen und der Betreuungsvereine auf die Beantragung von Sozialleistungen bzw. die Durchsetzung entsprechender Ansprüche für die Clienten bezieht.

In der jüngsten Vergangenheit ist leider festzustellen, dass es zu einem regelrechten Wettbewerb in der Leistungsvermeidung zwischen den unterschiedlichen Sozialleistungsträgern kommt. Gerade die Pluralität im deutschen System erweist sich jetzt als Hemmschuh und Bürokratiemonster aus. Das System macht die Bearbeitung zunehmend komplizierter.

Die sich abzeichnenden finanziellen Engpässe auf der staatlichen Ebene führen dazu, dass die Bearbeitungszeiten – nach unserem Eindruck zum Teil sogar absichtlich – hinausgezögert werden oder Anträge zunächst pauschal abgewiesen werden, obwohl sie begründet wären. Doppelanträge, Widersprüche ja sogar Klagen vor den Sozialgerichten gehören zum Betreueralltag.

Hinzu kommt, dass sich die Arbeit der rechtlichen Betreuung nicht von der aktuellen Kostenbelastung abkoppeln lässt.

Im Gegensatz zu anderen Gebührenordnungen (zum Beispiel wie bei Rechtsanwälten) führen Preissteigerungen ja nicht zu einer mittelbar höheren Vergütung über erhöhte Streitwerte.

Im Gegenteil!
Im Hinblick auf den gestiegenen Bearbeitungsaufwand ist eine reale und deutliche Reduzierung der Vergütung festzustellen. Hinzu kommen die inflationsbedingt erheblich gestiegenen Kosten. Die Einführung des eBO zum 1.1.2024 wird zunächst weitere Mehrkosten verursachsen. Ein papierloses Büro wird auch in den nächsten Jahren eher Wunschziel den Wirklichkeit sein.

Von den Betreuern und Betreuungsvereinen wird ein verstärkter Kontakt mit den Betreuten verlangt. Dies hat mehr Zeitaufwand, aber z.B. auch höhere Fahrtkosten zur Folge.

Eine Kostensteigerung von nahezu 30 % in den letzten 30 Monaten wird durch die Inflationsausgleichspauschale von völlig 7,50 € unzureichend gedeckt.

In dieser Situation sehen wir uns vom Delegado e.V. als Betreuungsverein im Prinzip nicht mehr in der Lage (mit wenigen spezifischen Ausnahmen in Einzelfällen) weitere neue Betreuungen zu übernehmen. Die Arbeitsbelastung der Kollegen ist am Limit. Eine zusätzliche Übernahme von weiteren neuen Betreuungen würde zu Mehrbelastungen führen, denen keine angemessene Vergütung mehr gegenübersteht. Neues Personal ist kaum zu finden und bei der aktuellen Vergütung und Förderung auch nicht mehr refinanzierbar. Insoweit sind wir als Verein an der Grenze der Belastbarkeit angekommen.

Es steht sogar zu befürchten, dass wir mit Ausnahme der notwendigen Pflichtleistungen kaum noch Veranstaltungen etc.im Rahmen der sogenannten Querschnittsarbeit durchführen können. Unser Verein kann es sich eigentlich nicht leisten, die zu einem großen Teil an der Bedarfsdeckung vorbei geregelte Förderung der Vereine zum Beispiel durch Erlöse aus der Vergütung für die Führung von Betreuungen vorzufinanzieren oder kompensieren zu müssen. Abgesehen davon ist eine solche Kompensation vom Gesetzgeber nicht vorgesehen, stellt sich aber zumindest temporär als leider notwendig heraus.

Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir sehr gerne mit den örtlichen Betreuungsbehörden in Sachsen, dem KSV und den Betreuungsgerichten zusammenarbeiten.
Allerdings kann es nicht angehen, dass von uns verlangt wird, fast schon ruinöse Tendenzen in der Betreuervergütung und der Förderung der Betreuungsvereine einfach hinzunehmen.

An dieser Stelle wollen wir auch betonen, dass wir es durchaus als Aufgabe der Exekutive (hier also der des Freistaates Sachsen und auch der Kommunen) ansehen, zumindest Druck auf die politischen Entscheidungsträger zu machen, um dringend notwendige Änderungen auf den Weg zu bringen.

Auch wenn dies auf den ersten Blick etwas polemisch formuliert sein dürfte, erlaubt sich der Unterzeichner, mal einen kleinen Vorschlag zur Gegenfinanzierung zu machen.
Der Deutsche Bundestag ist mit über 700 Abgeordneten im Verhältnis zu anderen parlamentarischen Demokratien weltweit völlig überbesetzt. Wir sind der Meinung, dass ein Parlament für die Bundesrepublik Deutschland mit etwa 250-300 Abgeordneten vollkommen ausreichend wäre und auch in der Effizienz wahrscheinlich besser arbeiten würde.

Der Steuerzahlerbund hat ausgerechnet, dass bei einer Regelgröße des Deutschen Bundestages von 598 Abgeordneten (wie von unserer Verfassung vorgesehen) etwa 400 Millionen € für die letzte Wahlperiode hätten eingespart werden können. (Quelle u.a. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/steuerzahlerbund-kritisiert-erweiterungsbau-fuer-bundestag-17578105.html)

Würde man durch eine vernünftige Wahlrechtsreform einen Bundestag sogar auf 250-300 Abgeordnete verkleinern, würden wir mehrere hundet Millionen Euro pro Jahr sparen.
Dies gilt in Summe analog auch für die Landtage.

Wir sehen es in Ansehung des drohenden Kahlschlags im Bereich Bildung, Infrastruktur und soziale Absicherung als geboten an, dass unsere Politiker endlich darüber nachdenken, Bürokratie wirklich effektiv zu gestalten, damit Gelder gespart werden, um sie an anderer - richtiger - Stelle ausgeben zu können.
Auch die Politik selbst kann ruhig einen eigenen Beitrag zur Kosteneffizienz unseres Staates leisten, statt wie so oft populistisch zu verkünden, mal wieder bei den Ärmsten sparen zu wollen. (Natürlich gibt es in Sozialsystemen auch Missbrauch, den man aber am Besten mit einer effektiven Verwaltung bekämpft). 

Mit den besten Wünschen für 2024

 

Hans-Jürgen Rutsatz

Geschäftsführer Betreuungsverein Delegado e.V.

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